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Tunnelradar gegen Überlast

Es ist ungünstig, wenn alle im Team gleichzeitig in Überlast gehen. Wir haben das am eigenen Leib erfahren. Das war nicht schön! Damals gab es einen Dominoeffekt. Die Überlast von Wenigen hat sich ausgebreitet und auf Andere übertragen.

 

Um das zu verhindern, haben wir das Tunnelradar erfunden. Im Kern ist das ein simples Ampelsystem - grün, gelb, rot. Damit kann ich meinen Teamkolleg*innen signalisieren, wie es mir und meinen Aufgaben geht. Es zeigt an, wie es mir mit meinen Aufgaben geht: ob ich okay, vereinnahmt oder überfordert mit diesen bin.

 

In unserem Blogartikel über Arbeiten im selbstorganisierten Team hat Judith den Tunnelradar kurz beschrieben. Und im Podcast Methodenmontag sprach ich mit Florian Meyer und Jan Köster über den Tunnelradar.

Woher kommt der Name Tunnelradar?

Der Name Tunnelradar erscheint vielleicht etwas ungewöhnlich. Für uns ist der Name aus der dazu passenden Geschichte entstanden. Wir haben einen Zustand kennengelernt, den Ihr vielleicht auch schon einmal erlebt habt.

Die ToDo-Liste füllt sich mehr und mehr. Schon vor einiger Zeit ging die detaillierte Übersicht verloren. Aber es hilft nichts: Jetzt heißt es Zähne zusammenbeißen und auf die nächsten Aufgaben fokussieren. Am besten alle gleichzeitig. Warum bin ich gerade nur so fahrig? Da kommt noch jemand um die Ecke. “Kannst Du das Thema übernehmen? Du bist einfach sehr gut dafür geeignet!” Ja, das stimmt. Das wissen wir beide. Meine Liste ist eigentlich schon übervoll. Aber eine Übergabe würde noch mehr Arbeit bedeuten. Also, was soll’s?! Dann mach ich das eben auch noch. Das macht den Kohl jetzt auch nicht mehr fett.

STOPP! Eben doch! Es macht einen Unterschied.

Wir sagen über Menschen, die so handeln, sie seien "im Tunnel". Sie haben den Überblick verloren. Und sie handeln so, dass sie sich tiefer in den Tunnel bewegen - und sie kommen nicht von alleine heraus. 

 

Eine gute und gleichmäßige Auslastung ist eine Teamaufgabe. Aber wenn die Übersicht verloren gegangen ist, ist es schwierig zu intervenieren. Die lange Aufgabenliste lässt den Druck, den Fokus und auch die Scheuklappen wachsen.

 

Lassen wir mögliche positive Effekte kurz beiseite. Wenn wir als gesamtes Team in diesen Solomodus gehen, birgt das Gefahren und bringt Verluste mit sich.

 

Das Tunnelradar kann diesen Status transparent machen. Im besten Fall gibt es einen guten Hinweis für einen gemeinsamen Blick. 

Normalzustand grün

Grün sollte der Normalzustand sein. Ich habe einen guten Überblick über meine Aufgaben. Ich komme gut voran. Es kommen nur so viele Aufgaben herein, wie ich bearbeiten kann. 

 

Gelb zeigt an, dass sich etwas verändert hat. Es gibt störende Einflüsse. Zum Beispiel wächst meine Aufgabenliste schneller an, als ich sie bearbeiten kann. Möglicherweise bahnt sich eine Erkältung oder andere Beeinträchtigung an. Die Gründe können vielfältig sein. Vielleicht habe ich auch nur ein ungutes Gefühl. Meist lohnt es sich, dies meinen Teamkolleg*innen zu signalisieren. Der Status gelb ist ein guter Moment, um entspannt nachzufragen:

  • Was ist los?
  • Wie können wir als Team verhindern, dass es rot wird?
  • Können wir einen Beitrag leisten?

Rot ist der Zustand, den wir gern vermeiden möchten. Ich bin unausgeglichen. Ich bin “drüber”, in Überlast. Ich habe die Übersicht über meine Aufgabenliste verloren. Ich benötige Unterstützung. Ich komme mit meinen Aufgaben nicht hinterher. Und ich kann mich gegen neue Aufgaben nicht abgrenzen. "Nein" fällt nicht schwer, "nein sagen" geht nicht mehr.

 

Was passiert, wenn jemand rot signalisiert? Nun, das ist beim Tunnelradar nicht festgelegt. Zumindest ein Gespräch bietet sich an. Bei uns im Team hat sich eine kollegiale Fallberatung als Kurzintervention etabliert. Dazu meldet sich, meist proaktiv, ein anderes Teammitglied. Gemeinsam schauen wir auf die Situation. Wie können wir sie verändern?

Teamaufgabe: gute Auslastung

Meist braucht es im ersten Schritt “Luft zum Atmen”. Zeit kann helfen, innere Ruhe und Übersicht zurück zu gewinnen. Eine Möglichkeit, diese Luft zu bekommen, kann das kollegiale Challenging sein. Dafür gehe ich mit meinem*r Kolleg*in meine Aufgabenliste durch. Bei jedem Punkt erkläre ich, warum genau ich diese Aufgabe erledigen muss. Alternativ überlegen wir zusammen, wie ich die Aufgabe gut ins Team abgeben kann. Dafür braucht es sowohl Feingefühl, als auch die Bereitschaft, sich gegenseitig zu führen.

 

Darin steckt manchmal viel Energie und Emotion. Schließlich möchte ich meine Aufgaben gut machen. Und ich bin gut ausgerüstet dafür. Und ich weiß, was es dafür braucht. Aber eine gute Auslastung ist eine Teamaufgabe. Darum überlegen wir zusammen, wie wir das gut auf die Straße bekommen. 

 

Das bedeutet nicht, dass alle Aufgaben von mir weggehen. Es bedeutet, dass wir zusammen versuchen, eine gute Balance zu finden. Manches geht ins Team. Anderes verbleibt bei mir. Und zusätzlich gewinne ich Luft, die ich brauche, um die Übersicht über meine Aufgaben zurück zu gewinnen. Im Idealfall kann ich im Anschluss mein Tunnelradar auf gelb, in der Folgezeit vielleicht wieder auf grün setzen.

Führung im Team erwünscht

Wir arbeiten als verteiltes Team. Das bedeutet, dass wir uns nicht einfach jeden Morgen im Büro begegnen. Wir benötigen Werkzeuge und Methoden, um uns abzugleichen. Unser “Daily” erledigen wir schriftlich in unserem gemeinsamen Chat.

 

Seit der Einführung posten wir unseren Tunnelradar täglich in unseren Chat. In erster Linie geht es um die Selbstreflexion. Wie schätze ich selbst mein aktuelles Befinden ein? 

 

Natürlich findet durch die Veröffentlichung auch soziale Überprüfung statt. Die Wechselwirkungen und Interaktionen durch die Reflexion im Team sind von uns gewünscht. Wir möchten uns gegenseitig und verantwortungsvoll führen. Damit konnten wir als Team bisher gut umgehen. Bei der Einführung macht es Sinn, darüber nachzudenken und zu sprechen: Welche Intensität braucht es? Was ist für uns geeignet und hilfreich? Was wäre eine erster Schritt?

 

 

Ihr möchtet in Eurem Team oder Eurer Organisation im Arbeitsoptimum arbeiten - jenseits von Unter- oder Überlast? Wir begleiten Euch auf diesem Weg in die wirksame + erfolgreiche Zusammenarbeit. 

  

 

Tobias Ranft, Portraitfoto auf dem Seminarlieger VILLA HENRIETTE

Autor: Tobias Ranft

Agile Coach + Trainer, agiler Organisationsentwickler

 

 

 

 

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