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Wie Führung im agilen Kontext (anders als gewohnt) funktioniert

Immer mal wieder hören wir während Coachings, Trainings + Ausbildungen: "Agil arbeiten heißt doch sich selbst führen. Wozu braucht es denn dann noch Führungskräfte?"

Zur Beantwortung der Frage werfen wir mal einen Blick auf die Aufgaben einer Führungskraft in klassischen Settings. Fredmund Malik benennt fünf Aufgaben:

  1. Für Ziele sorgen
  2. Organisieren
  3. Entscheiden
  4. Kontrollieren
  5. Menschen entwickeln und fördern

Dahinter steckt als Leitgedanke "Command & Control". Die Führungskraft weiß, wie es geht, was zu tun ist und was richtig ist. Basis für die Entscheidung der Führungskraft sind ausgiebige Analysen, insbesondere der Vergangenheit.

Iterativ - inkrementell - lernend führen

Kann das in agilen Kontexten funktionieren? Es hilft, zunächst darauf zu schauen, was agile Kontexte eigentlich ausmacht. Agiles Arbeiten bedeutet im Kern: In kleinen Schritten vorangehen und immer wieder auf das Ergebnis zu schauen und zu lernen. Iterativ - Inkrementell - Lernend!

Diese Vorgehensweise ist insbesondere in komplexen Problemstellungen sinnvoll, wenn also niemand das genaue Ziel kennt und der Lösungsweg ebenfalls höchstens in groben Umrissen bekannt ist. Es gilt, sich tastend voran zu bewegen und gemeinsam zu lernen. Den Weg zum Zielraum muss sich das Team durch Ausprobieren erarbeiten. Unsere Erfahrung zeigt, dass beim lösen komplexer Probleme Selbstorganisation, also das selbständige Herausfinden, wie die Zusammenarbeit im Team gut läuft, der erfolgversprechendste Weg zur Lösung ist.

Daraus wird schon klar: Natürlich kennt auch keine Führungskraft die „richtige“ Lösung. Das immer wieder Absegnen lassen würde jeden Fortschritt ab- und ausbremsen. Stattdessen trifft immer wieder ein am eigentlichen Experiment gar nicht direkt beteiligter Mensch die Entscheidung über "richtig und falsch" auf Basis der Informationen, die er oder sie dazu von anderen erhält. Das kostet viel Zeit, ohne zu besseren Lösungen zu führen.

Das bedeutet also: Eine direkte Umsetzung der von Malik benannten Aufgaben in komplexen Problemstellungen beziehungsweise agilen Kontexten ist nicht besonders erfolgsversprechend. "Command & control" kann hier nicht sinnstiftend funktionieren.

 

Statt "Command + Control" durch "Target + Track" führen

Trotzdem braucht es Führung! Denn die Leitmotive hinter den von Malik benannten Aufgaben gelten auch im Komplexen, sie sind aber anzupassen. Sicherlich kann vieles durch (laterale) Führung im Team entschieden werden, besonders Fragen rund um das „was probieren wir aus“ und „wie machen wir etwas“. 

 

Aber zwei Aspekte führen dazu, dass ein Team in aller Regel auch Führung von innerhalb oder außerhalb des Teams benötigt.

  1. Teams haben unterschiedliche Reifegrade in Bezug auf die Fähigkeit zur Selbstorganisation und inneren Führung. Es reicht nicht, einem Team, das bisher anders gearbeitet hat oder neu zusammengekommen ist, einfach zu sagen: organisiert Euch selbst! Und schon läuft das. Selbstorganisation funktioniert in der Regel nicht einfach von alleine.
    Die Kompetenzen zur Selbstorganisation müssen vom Team erst erworben werden und Vertrauen innerhalb des Teams, das die Basis für eine funktionierende Zusammenarbeit im Team ist, muss erst aufgebaut werden.
  2. Teams operieren in aller Regel nicht unabhängig vom Rest der Organisation. Das bedeutet, es gibt einen verbindenden Rahmen, den sich ein Team nicht einfach selbst setzen kann. Und es gibt Bedürfnisse des Teams, die es nicht selbst erfüllen kann.

Daraus ergeben sich zwei Kernaufgaben von Führung:

  1. Das Setzen einer gemeinsamen Richtung, das Festlegen von Leitplanken (also: Normen, Regeln + Rahmen), innerhalb dessen sich ein Team bewegen kann
  2. Das Unterstützen des Teams an den Punkten, an denen es aus eigener Kraft nicht weiterkommt.
    Welche Punkte das sind, hängt komplett vom Reifegrad des Teams auf der einen und dem Reifegrad der Organisation auf der anderen Seite ab. Hier ist dienende Leitung gefragt: "Was braucht das Team, damit es zur Höchstleistung kommen kann?"

Die fünf von Malik genannten Führungsaufgaben übersetzen sich so in agilen Settings zu:

Statt Für Ziele sorgen Für Richtung und Leitplanken sorgen
Statt Organisieren In Selbstorganisation führen
Statt Entscheiden Delegieren    
Statt Kontrollieren Für Kontrolle sorgen
  Menschen entwickeln + fördern Menschen entwickeln + fördern

Das "Fördern + Entwickeln von Menschen"  bleibt für Führungskräfte bestehen + wird gleichzeitig zu einem Thema für alle Teammitglieder in Selbstorganisation. Die Führung in agilen Kontexten unterstützt die einzelnen Teammitglieder, diese Führungsaufgabe für sich anzunehmen + zu leben.


Auch agile Organisationen benötigen Führung. Das ist eine andere Führung, als wir sie aus klassischen Organisationen kennen. Diese andere Führung stellt für Führungskräfte oft eine große Herausforderung da: Führen im agilen Kontext will gelernt werden!

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