Am 20. März ist die HomeOffice-Pflicht für Mitarbeiter*innen ausgelaufen. Viele Unternehmen rufen ihre Mitarbeiter*innen zurück ins Büro. Bei den Beteiligten zeigt sich häufig Unmut. Denn ganz so "einfach" geht es nicht zurück ins Büro.
Es sind einige Fragen zu klären, und womöglich ist auch das eigene Führungsverhalten anzupassen, damit am Ende die Lösung da ist, die für alle Beteiligten gut funktioniert.
HomeOffice: Vor- + Nachteile sind nun allen Beteiligten klar
Viele Mitarbeitende haben in den letzten zwei Jahren die Vorteile von HomeOffice-Arbeit, aber auch die Nachteile kennengelernt.
Pendelzeiten sind weggefallen und die Minimierung von Reisezeiten hat vielen Lebenszeit jenseits der Arbeit geschenkt. Auch haben viele für sich die Erfahrung gemacht, dass sich Arbeit + privates Leben besser kombinieren lassen, wenn keine räumliche Trennung zum Privatleben gegeben ist. Viele berichten, dass sich über die Zeit die Qualität der Remote-Arbeitstreffen verbessert hat. Vorbereitete, moderierte Video-Arbeitstreffen funktionieren einfach besser als das in Präsenz oft nur hastig einberufene und überbesetzte Meeting, bei dem keinem so recht der Sinn klar ist.
Gleichzeitig kann diese fehlende räumliche Trennung in die Überforderung führen. Auch fehlen so manchen die informellen Gespräche an der Kaffeemaschine. Und während die Fachlichkeit
in manchen virtuellen Arbeitstreffen schneller geklärt wird, kann dabei die Nähe und damit auch Gesprächstiefe und das gegenseitige Verständnis mit den Kolleg*innen fehlen.
Ist die Frage nach `"60/40" oder "40/60"´ die richtige?
Viele Organisationen erkennen die Vorteile der HomeOffice-Arbeit an. Sie sehen aber auch, dass es etlichen Mitarbeiter*innen ganz oder teilweise schwer fällt, im HomeOffice zu arbeiten.
Gerade für Führungskräfte war die Umstellung ins HomeOffice häufig sehr schwer, weil sie ihre Führungsinstrumente zum Teil radikal umstellen mussten.
Vielleicht liegen auch einige Themen, fachliche und soziale, auf der langen Bank, weil die Beteiligten das Gefühl hatten, dass sie das betreffende Thema nicht remote klären konnten.
Daher wünschen sich viele Organisationen jetzt eine Rückkehr ins Büro. Um den erkannten Vorteilen von Präsenzarbeit gerecht zu werden, diskutieren die Führungskräfte die Frage, ob von den Mitarbeitenden mindestens 40% oder eher 60% Anwesenheit zu verlangen sei.
Begründet Eure Regeln!
Die Führungskräfte sehen sich in der Pflicht, die Vor- und Nachteile der HomeOffice-Antwort gut aufzunehmen und mit einer Regel für alle zu beantworten.
Einheitliche Regeln für alle zu schaffen ist für das Miteinander oft hilfreich.
Für alle Organisationsmitglieder ändert sich mit der Rückkehr ins Büro etwas. Eine für alle verkündete Regel der Anwesenheit (egal, ob 100%, 60% oder 40% Rückkehr) schiebt die Beteiligten in die Veränderungskurve -- mit allen bekannten Auswirkungen.
Dabei gilt:
Wenn die Beteiligten eine Regel für alle ausgeben, muss diese für alle gut + transparent begründet werden.
Wenn diese Begründung nicht erfolgt, werden die Organisationsmitglieder nicht mitgehen. Es wird Widerstand geben + viel Energie verschwendet werden.
Dabei richtet sich häufig die Energie nicht gegen die sachliche Lösung, sondern persönlich gegen die Entscheider*innen: "Nur weil $Name seinen*ihren Führungsjob nicht vernünftig kann, muss ich jetzt drei Mal die Woche für nichts anderthalb Stunden Fahrzeit hinlegen. Was für ein Mist!"
Es ist für alle leichter, die Veränderung zur Praxis der letzten zwei Jahre anzunehmen, wenn diese nachvollziehbar begründet ist:
Die Begründung sollte kurz das "Warum?" und dann ausführlich das "Wozu?" zu klären.
Wenn die Beteiligten zum Beispiel daran glauben, dass bestimmte informelle Gespräche wichtig sind, um fachliche Unstimmigkeiten + Inbalancen in der Auslastung zu finden, dann sollten sie das in die Begründung aufnehmen.
Oder wenn die Beteiligten daran glauben, dass die Mitarbeiter*innen in Präsenz mehr Tiefe + Klarheit erreichen, dann sollten sie das in ihre Begründung aufnehmen.
Wenn keine oder eine oberflächliche Begründung erfolgt, könnten die Beteiligten das als mangelndes Vertrauen der Entscheider*innen in die Mitarbeiter*innen auslegen. Das ist keine gute Basis für eine echte Zusammenarbeit, egal von wo aus diese Arbeit geleistet wird.
lässt sich diese Frage für alle Mitarbeiter*innen gleich beanworten?
Vielleicht zeigt sich aber auch im Widerstand gegen eine Organisationsregel der Wunsch der Beteiligten nach einer indviduellen Lösung.
Denn die Vor- + Nachteile werden von allen Mitarbeiter*innen unterschiedlich wahrgenommen. Wäre es da nicht besser, die jeweils eng zusammen arbeitenden Personen würden zusammen herausbekommen, welche Art der Zusammenarbeit für sie richtig ist? Und bedeutet das nicht, dass für unterschiedliche Teams unterschiedliche Lösungen herauskommen?
DAs "Wie" optimieren, nicht das "wo" definieren
Denn: Was zählt oder zählen sollte, ist das Ergebnis der Zusammenarbeit. Nicht die generelle Frage nach dem Ort, an dem die Arbeit gemacht wird, also die Frage nach dem "wo?", sondern die Antwort auf die Frage, "wie?" die Beteiligten zusammen arbeiten.
Und wenn das Ergebnis erfordert, sich im Büro abzusprechen, dann ist das der richtige Ort.
Vielleicht wäre es für das Ergebnis viel dienlicher, wenn die Beteiligten in Ruhe + konzentriert im HomeOffice ihre Aufgaben abarbeiten.
Vielleicht wäre es aber auch passender, sich zusammen oder in Teilgruppen in einem CoWorking-Space einmalig oder regelmäßig zu treffen oder zusammen auf einem Deich spazieren zu gehen (oder was die Örtlichkeiten bei Euch so hergeben).
Vielleicht brauchen die Beteiligten feste "Trefftage" im gemeinsamen Büro, vielleicht braucht es eine zwei- oder vierwöchentliche Routine zum Abgleich der Aufgaben + der Ergebnisse.
Vielleicht braucht es viele informelle Gespräche? Dann solltet Ihr herausbekommen, wie Ihr diese ermöglichen könnt. Das könnte genauso verteilt wie im Büro funktionieren.
Überprüft in Lernzyklen Eure Zusammenarbeit!
Egal, für welche inititale Regel der Zusammenkünfte Ihr Euch entschieden habt, gerade jetzt ist es wichtig, in regelmäßigen Lernzyklen die Wirksamkeit Eurer Regeln zu überprüfen + diese gegebenenfalls anzupassen.
Soweit Ihr das vorher gut sehen könnt, legt Euch Eure Wünsche + Bedürfnisse offen:
- "Ich brauche Zeit im HomeOffice, weil ich den $Aufgabentyp dort besonders effizient bearbeiten kann."
- "Ich brauche mindestens einmal die Woche ein längeres Gespräch mit $Person / $Personengruppe, da wir in der Konstellation zusammen bessere Ergebnisse erreichen."
- "Am $Wochentag muss ich auf jeden Fall um 14.00 Uhr zu Hause sein, weil ich dann für $Kind / $Haustier Verantwortung übernehmen möchte."
- "Für mich bedeutet es negativen Stress, wenn ich mehr als $Zahl Tage im Monat ins Büro fahren muss."
Definiert aus diesen Wünschen ein ungefähres Startbild. Ihr werdet mit großer Wahrscheinlichkeit nicht alle Wünsche + Bedingungen umsetzen können, aber Ihr werdet sicher einen Start definieren können.
Dafür definiert Ihr ein Anfangssetting. Macht es nicht so kompliziert! Je weniger Regeln Ihr zu Beginn habt, desto mehr natürlichen Spielraum habt Ihr.
Arbeitet nach bestem Wissen + Gewissen zusammen. Setzt so die Frage nach dem "Wie?" in den Fokus Eurer Fragen -- und klärt nebenbei das "Wo?".
Lernt Euch in die für Euch richtige Art der Zusammenarbeit hinein. Lernschritt für Lernschritt werdet Ihr anders, wahrscheinlich besser, zusammen arbeiten.
Setzt Euch regelmäßig zusammen und prüft folgende Fragen:
- Wie läuft Eure Zusammenarbeit? Mit was seid Ihr zufrieden, wo hat es gehakt?
Das könnt Ihr zum Beispiel in Form eines Reviews machen. Im einfachsten Fall gleicht Ihre Eure Pläne gegen Eure Ergebnisse ab und bewertet die Resultate. - Welche Hypothesen habt Ihr, wie Ihr den Prozess + das Ergebnis verbessern könnt?
- Welche Schritte möchtet Ihr ausprobieren, um Eure Hypothesen zu überprüfen?
- Wer macht daher was im nächsten Lernzyklus anders?
- Welche Erkenntnisse stabilisieren sich so, dass Ihr daraus Teamregeln ableiten könnt?
- Wann trefft Ihr Euch für die nächste Auswertung wieder?
In diesen Lernzyklen werdet Ihr herausbekommen, welche Art der Zusammenarbeit + welche Regeln für alle gelten sollten + bei welchen Fragen Ihr Euch besser organisiert bekommt, wenn Ihr diese individuell klärt.
Und schließlich gibt es noch zwei Fragen für den nächsten Lernzyklus:
- Was hat Euch während der Auswertung gut, was nicht so gut gefallen?
Stimmte das Setting + wie war die Moderation? - Welche Schlüsse zieht Ihr daraus für den nächsten Lernzyklus?
Wir wünschen Euch viel Erfolg beim Finden der für Euch passenden Form der Zusammenarbeit!
Wenn Ihr aktuell um die richtige Form der Zusammenarbeit ringt, unterstützen wir Euch gerne als agile Coaches + Organisationsentwickler*innen, so dass Ihr schnell + erfolgreich die für Euch
richtige, weil erfolgreiche Form der Zusammenarbeit etablieren könnt.
Autorin: Judith Andresen
Agile Coachin + agile Organisationsentwicklerin
Autorin der Fachbücher "Retrospektiven in agilen Projekten", "Agiles Coaching" + "Agile Organisationsentwicklung"
Mehr Informationen in "Über uns"
Autorin: André Friedrich
Agiler Coach, Organisationsentwickler + Trainer
Mehr Informationen in "Über uns"
Kommentar schreiben