Wenn Teams zusammen komplexe Aufgabenstellungen bewältigen möchten, fällt das Schätzen von zeitlichen Rahmen schwer. Zu vieles wissen die Teammitglieder nicht. Mit unterschiedlichen Methoden versuchen sie, mehr Sicherheit ins System zu kommen. Und zeitliche Aussagen treffen zu können.
Dabei entsteht häufig impliziter Druck an Stelle und Pfusch an Stelle von zeitlichem und inhaltlichen Liefern.
Ein Kommentar.
Schätzen, aber nicht verschätzen.
In Projekten wünschen Menschen Sicherheit. Sicherheit entsteht durch Zuordnungen auf Zeitplänen, durch gesetzte Termine.
Die kleinste Einheit für das Schätzen sind die jeweiligen Iterationen.
Um das Gewünschte greifen zu können, versuchen die Beteiligten, möglichst genau zu beschreiben, was sie erreichen möchte. Die Frage nach dem Kundennutzen (also dem Wozu?) tritt in der täglichen Arbeit schnell in den Hintergrund. Es ist einfacher, ein Feature in der Ausgestaltung zu beschreiben, als über mögliche Antworten auf das Wozu? zu sprechen.
Wenn dann die entstehenden Tickets geschätzt werden, ist es vermeintlich einfacher und sicherer, die Tickets in Zeit, nicht in Komplexität, zu schätzen. Dabei versuchen viele Teams, möglichst viele, klare Einzelaufgaben zu schätzen. Aber wie Anja schon schrieb: Haltet das Schätzen einfach!
Von Scheinzwergen und Scheinriesen
Je aufwändiger der Schätzvorgang ist, desto größe ist die Gefahr von Scheinriesen und Scheinzwergen.
Ihr kennt sie: die UserStorys oder Aufgaben, die sich unendlich kompliziert anfühlen und am Ende sehr schnell fertig werden. Eure Unsicherheit über das "Wie" hat die Sinne vernebelt. Und je mehr Unsicherheit und/oder Unwissenheit über die UserStory oder die Aufgabe da ist, desto größer ist der Scheinriese. Ihr habt nicht auf Euren Bauch gehört. Ihr habt auf Eure Unsicherheit gehört.
Umgekehrt verhalten sich die Scheinzwerge. "Das muss doch einfach gehen!" sagt Ihr Euch und unterschätzt die Aufgabe. Euch ist unklar, welchem Zweck die UserStory oder die Aufgabe dient -- und das beschriebene "Was" wäre einfach zu machen. Je nebulöser der eigentliche Zweck ist, desto kleiner kommt der Scheinzwerg daher -- aber er wird sich entpuppen! Ihr habt dabei nicht auf Euren Bauch gehört. Euer Kopf wollte, dass es schnell gehen muss. Ihr habt auf Euren Anspruch gehört.
Auf den Bauch hören
Unsicherheiten und Ansprüche vernebeln die Bauchaussage. Das gilt nicht nur für die jeweilige Iteration, sondern für das gesamte Vorhaben.
Selbst wenn Teams sich auf ein Bauchgefühl einigen können, formulieren Teammitglieder häufig den Wunsch nach einem Puffer. Dabei sagt das Parkinsonsche Gesetz:
“Work expands so as to fill the time available for its completion.”
Wenn Ihr also das Bedürfnis nach einem Puffer spürt, ist die eigentliche Frage: "Rührt sich hier mein Bauch? Oder sprechen gerade unsere Unsicherheiten?"
rationalisieren kostet Aufwand ohne Nutzen
Das Zerteilen von Aufgaben, das starke Vorarbeiten in "Was" und vorallem "Wie", das Schätzen einer Sammlung von Einzelaufgaben kostet viel Energie und Zeit.
In den wenigsten Fällen wird das immer kleinere Schätzen von Aufgaben dazu führen, dass die Prognose korrekter wird. Es gilt die Fragestellung umzudrehen?
Was muss auf jeden Fall mit, damit das Produkt oder die Dienstleistung gut funktioniert? Und welche Zeit haltet Ihr für realistisch, diese Anforderungen zu erfüllen?
Damit wird die Frage zu einer Teamfrage, die mit einem guten Bauchgefühl zu beantworten ist. Dafür wird das Team herausfinden, wie das Team zu einem guten Bauchgefühl -- ohne Unsicherheit und Anspruch -- zu kommen.
Was braucht es, damit wir unseren Bauch hören können?
Und die Antwort liegt im selbstorganisierten Team. Das Team wird ermitteln, wie das Team zu Bauchentscheidungen kommt. In Retrospektiven werden Teams lernen, welche Muster und Ereignisse die Teammitglieder davon abhalten, den Bauch gut hören zu können (und Ängste und Ansprüche die Aussagen dominieren).
Das geht. Und vereinfacht die Frage nach Machbarkeit und Zeit erheblich: es gibt eine klare Aussage. Und ein Team, dass diese Aufgabe annehmen kann.
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