In der BERATUNG JUDITH ANDRESEN arbeiten wir in einem verteilten und gleichzeitig selbstorganisierten Team.
Uns eint unser Auftrag "Echte Zusammenarbeit möglich machen". Aber wie funktioniert echte Zusammearbeit aus dem HomeOffice heraus?
Von Lernmoment zu Lernmoment haben wir mehr und mehr Tools + Fragen entdeckt, die für uns hilfreich sind, in einem verteilten Team echt zusammen zu arbeiten.
Nachfolgend findet Ihr in alphabetischer Reihenfolge Methoden und Methodenbausteine, die sich als zielführend erwiesen haben.
Vielleicht bekommen wir schon morgen heraus, dass wir andere oder weitere Methoden(-bausteine) ausprobieren möchten. Alle vorgestellten Methoden und Methodenbausteine sind Ergebnisse von Experimenten und damit Aushandlungsergebnisse im Team. Wir versuchen, einfache und klare Regeln zu implementieren, sobald wir gute Experimentergebnisse hatten. Der Weg dorthin ist manchmal leicht, manchmal beschwerlich. Die Fragen "Was darf ein selbstorganisiertes Team?" und "Was darf ich in einem selbstorganisierten Team?" sind leicht zu stellen, aber nicht immer leicht zu beantworten.
Damit wir verteilt und selbstorganisiert funktionieren können, brauchen wir viel Transparenz darüber, was im Team läuft. Gleichzeitig haben wir festgestellt, dass wir unsere Stärken, Schwächen und Vorlieben in der Sprachfähigkeit haben müssen. Und schließlich: es gilt der Grundsatz "Erstmal machen" vor "um Erlaubnis bitten". Wir versuchen, schnelle und klare Entscheidungen zu treffen. Und lernen daraus, wenn wir falsche Entscheidungen getroffen haben.
- Auslastungsbarometer
- Chat
- Forecast
- Kalenderregeln
- Tandems
- Teamtelefonat
- Teamtag
- Trello
- Tunnelradar
- Zielraumworkshop
Als Team ist uns wichtig, dass wir uns gegenseitig unterstützen und gut zusammen arbeiten, ohne übergriffig und/oder bemutternd gegenüber einzelnen Teammitgliedern zu arbeiten.
Auslastungsbarometer
Am Ende unseres Dailys geben wir den konkreten Tag (ist ja ein Daily) die erwartete Auslastung in Prozent an. So bedeutet "75%", dass von einem Acht-Stunden-Tag sechs Stunden mit den benannten Aktivitäten "gefüllt" sind. Mit "75%" signalisiert ein Teammitglied, dass es Arbeiten von anderen Teammitgliedern übernehmen könnte.
Umgekehrt bedeutet "120%", dass ein Teammitglied erwartet, über einen Acht-Stunden-Tag hinaus ausgelastet zu sein. Das tritt zum Beispiel in Abständen auf, wenn wir reisen. Es kann aber auch sein, dass einfach mehr Arbeit da ist, als in acht Stunden erfüllt werden kann. Andere Teammitglieder prüfen, ob sie dem Teammmitglied mit einem Auslastungswert über 90% Arbeiten abnehmen können.
Chat
In unseren Arbeitszeiten haben wir zwei Chatkanäle offen. Dabei gibt es zwei Kanäle:
- Offizielles für nach dem Urlaub
- Kaffeeküche
In "Offizielles für nach dem Urlaub" schreiben alle, die an dem Tag für die BERATUNG JUDITH ANDRESEN arbeiten, ihr Daily. Das Daily wird ergänzt um das Auslastungsbarometer und den Tunnelradar. Wenn Wichtiges passiert (zum Beispiel: Kunde / Kundin hat Vertrag bestätigt), wird das in diesem Kanal vermerkt.
Denn der Kanal liefert zweierlei: er bringt Transparenz über Aufgaben, Aus- und Belastatung. Er bringt auch diejenigen auf Stand, die gerade nicht im Team waren.
Den Kanal "Offizielles für nach dem Urlaub" haben wir als Pflichtprogramm definiert. Darüber hinaus gibt es noch die Kaffeeküche. Sie wird so frequentiert, wie die Teammitglieder Zeit und Lust haben. Und die Themen sind genauso wie in einer echten Kaffeeküche: Ponys, Zwergflußkrebse, das Studium, aber auch Fragen wie: "Ich hänge an dem Punkt XYZ bei der Kundin ABC. Hat wer eine Idee?"
In der Kaffeeküche bieten die Teammitglieder ein tägliches Gespräch an, unterhalten sich und benennen Erfolge ("ich habe gerade DEF probiert. Unterlagen findet Ihr dort: GEH. Ergebnis war super.") und bitten um Unterstützung.
Forecast
Unser Forecast ist ein Kapazitäts- und Auslastungsplanung (als LibreOffice-Dokument). In dem Dokument finden alle Beteiligten die aktuellen Kunden, Kundinnen, die Tandems, die sie betreuen und eine Auslastungsplanung der kommenden Monate. Urlaube sind entsprechend markiert.
Das Dokument wird von allen Teammitgliedern genutzt und fortgeschrieben. Unser Vertrieb wird immer von denjenigen übernommen, die gerade dafür Zeit haben -- in vielen Fällen sind aber diejenigen nicht die, die inhaltlich und/oder zeitlich bei den entsprechend Anfragenden passen würden.
Mit einem Blick in den Forecast können einzelne Teammitglieder zeitliche Zusagen für andere Teammitglieder machen. Zusammen mit einer hohen Transparenz über die Kompetenzen der Beteiligten (in Stärken, Schwächen und Vorlieben) macht das jedes Teammitglied in einer Vertriebssituation sehr handlungsfähig.
Mit diesem Wissen über den Forecast und die Kompetenzen zusammen mit den Kalenderregeln ist das einzelne Teammitglied in der Lage, schnelle und gute Lösungen für die Kunden und Kundinnen zu finden.
Kalenderregeln
Wir sind häufig bei Kunden + Kundinnen. In der Zeit ist uns nicht möglich (und wir wollen das auch nicht), viel mit den anderen, nicht bei diesem Kunden oder dieser Kundin anwesenden Kollegen oder Kolleginnen zu sprechen.
Wir funktionieren dann gut, wenn wir einfach und schnell klare Aussagen gegenüber unseren Kunden + Kundinnen treffen können. Was wir nicht möchten: jeden Termin über mehrere Parteien abstimmen zu müssen. Was wir nicht leisten können: sich merken, wer wann was vorhat -- privat wie beruflich.
Wir machen häufig für andere (zum Beispiel für die Tandempartner und -partnerinnen oder in Vertriebssituationen) Termine aus. Damit dies schnell funktioniert, haben wir ein paar Kalenderregeln entdeckt, die uns helfen, sich schnell im Kalender von anderen zurecht zu finden.
Diejenigen von uns, die keine volle 40-Stunden-Woche arbeiten, haben ihre freie Zeiten im Kalender markiert. Das gilt genauso für alle, die ihre Urlaube schon geplant haben, diese sind in ihrem Kalender markiert (und werden in einem Team-Urlaubskalender gesammelt, damit wir einen Blick darauf haben, wer insgesamt in bestimmten Zeiten da ist -- und wer eben nicht).
Alle Teammitglieder versuchen jeweils eine bestimmte Anzahl von fakturierbaren Tagen im Monat zu generieren. Daraus ergeben sich die HomeOffice-Tage. Diese tragen die entsprechenden Teammitglieder ein. Wenn nun ein anderes Teammitglied einen Termin aushandeln möchte, kann er oder sie alle Termine anbieten, die durch Verschieben von HomeOffice-Tagen innerhalb von zwei Wochen möglich sind. Weitere Bedingung: sie dürfen nicht mit dem Eintrag "Keine Termine" kollidieren. "Keine Termine" nutzen Teammitglieder, wenn der Tag nicht verschiebbar sein soll (das kann zum Beispiel sein, dass ein Teammitglied am Vortag eine lange Reise hat und ausschlafen möchte oder einen Zahnarzttermin wahrnehmen möchte).
Gerade für Terminvereinbarungen gilt: wir können und wollen nicht mit allen jede Entscheidung basisdemokratisch treffen. Wir haben nach und nach entdeckt, welche Informationen zur Verfügung stehen müssen, damit wir einzeln Entscheidungen für viele treffen können.
Tandems
Die Arbeit in Tandems ist aus vielerlei Hinsicht für uns sehr wertvoll. Die Arbeit in Tandems unterstützt die Beteiligten darin, durch regelmäßige Reflexion und Übergaben, die Coachinghaltung zu wahren. Wir können mittels Tandemarbeit gezielt Wissensaufbau und -transfer betreiben.
Darüber hinaus macht uns die Tandemarbeit sehr ausfallsicher. Die jeweiligen Tandempartner und -partnerinnen können sich in Urlauben und bei Krankheit gut und schnell vertreten.
Wenn bei uns jemand außerplanmäßig ausfällt, kann der oder die Erste mit einem Blick auf die Tandemübersicht im Forecast eine Alternative für den Tag entwickeln. Dabei produzieren wir manchmal sehr große Verschiebungen, bei denen keiner und keine den eigentlichen Termin des Tages wahrnimmt -- und gleichzeitig werden alle Kunden und Kundinnen bedient.
Was beim Verschieben häufig auftritt, ist dass einzelne Teammitglieder sich mit einem "Ich könnte doch auch XYZ machen, damit DEF die Aufgabe ABC übernehmen" anbieten. Sich anbieten und Handlungsalternativen aufzeigen, findet im Chat statt. Wir stützen so den- oder diejenigen, die den ersten Wurf für den Verschiebebahnhof entwickelt hat.
Teamtelefonat
30 Minuten, ein Mal in der Woche, Video-Telefonat. Wir gucken gemeinsam, ob und welche Aufgaben liegengeblieben sind -- und wie der Stand in den Vertriebsthemen ist. Wir suchen gezielt für bestimmte Teammitglieder (vorallem in der Einarbeitungsphase) nach möglichen Schattenterminen.
Der direkte Austausch ist wichtig. Wir moderieren uns gegenseitig. Für die, die am Teamtelefonat nicht teilnehmen können, gibt es eine Mailzusammenfassung des Gesprächs.
Im Teamtelefonat vereinbaren sich Teammitglieder häufig für nachfolgende persönliche Absprachen -- vorwiegend zu fachlichem Austausch + Lernen und zu Vertriebsabsprachen.
Teamtag
Wir forcieren den persönlichen Austausch am Teamtag. Einmal im Monat treffen wir uns. Wir treffen uns dabei in wechselnden Räumen. So lernen wir jeden Monat auch neue und andere Tagungs- und Konferenzräume kennen.
Gemeinsam sorgen wir für Transparenz über die anstehende Auslastungs- und Urlaubssituation. Entsprechend der vorherigen Absprachen lernen wir fachlich Neues -- und beenden den Tag mit einer gemeinsamen Teamsupervision.
Während wir den Forecast und den Urlaubskalender durchgehen, verbalisiert jeder und jede Einzelne eine Botschaft, wie sich die nächste Zeit aus deren Sicht entwickeln wird. Daraus leiten wir ab, was das für das gesamte Team bedeutet.
Alle, die nicht auf dem Teamtag waren, werden von einer auf dem Teamtag benannten Person "abgeholt" und persönlich über die Ergebnisse informiert.
trello
Wir visualisieren unsere Aufgaben in Trelloboards. Es gibt ein Board, dass die für den jeweiligen Sprint zum Jahreszielraum identifizierten Aufgaben aufführt. Darüber hinaus gibt es ein Board, in der alle Teammitglieder tägliche Aufgaben aufführen können.
Wenn wer Kapazitäten frei hat, kann er oder sie so mögliche, noch nicht begonnene Arbeiten identifizieren und sie anderen Teammitgliedern abnehmen.
Anfragen, die uns per Mail (Kontakt) erreichen, tauchen automatisch im Trello auf. Auch hier gilt: wer Kapazitäten hat, übernimmt die Themen. Zum Teamtelefonat kontrollieren wir, dass nichts "hängt".
tunnelradar
"Wer viel auf der Kette hat, kann schlecht nein sagen." -- Das haben wir gelernt. Wir nennen den Zustand "Tunnel". Wir versuchen, uns gegenseitig wahrzunehmen und Teammitglieder zu unterstützen, den Tunnel erst gar nicht zu betreten. Zusätzlich versuchen wir, Angebote zu machen, damit diejenigen Personen ihre Tunnel verlassen können.
Alle Teammitglieder schreiben täglich ins Daily den Status ihres Tunnelradars:
- "Grün": Alles ist in Ordnung. Die Aufgaben kann ich gut zu schaffen.
- "Orange": Tunnel ist in Sicht. Ich bin mir nicht sicher, ob ich alle Aufgabe schaffen kann.
- "Rot": Im Tunnel. Eigentlich weiß ich, dass ich die Aufgaben, die ich aufgeschrieben habe, nicht schaffen kann.
Teammitglieder unterstützen aktiv andere Teammitglieder, die orange und rot melden. Sie machen aktiv Angebote, welche Aufgaben sie übernehmen können.
Zielraumworkshop
Wir wollen echte Zusammenarbeit möglich machen. Das ist unsere Mission, die uns leitet. Bei Kunden, Kundinnen und auch für uns selbst. Wir addieren jedes Jahr im Jahreszieleworkshop fachliche Zielräume, denen wir uns in Sprints (entsprechend der Teamtage) nähern. "Jahreszielraum 2019/20" heißt das aktuelle Board hierfür.
Die Aufgaben, die wir hierfür identifizieren, werden in einem gesonderten Trelloboard geführt. Viele Teammitglieder übertragen diese für die Bearbeitung in das Board "Aktivitäten BJA".
Für alle Aufgaben gilt: wir arbeiten im Pull-Prinzip. Wenn bereits Aufgaben bei jemanden liegen, der diese gerade nicht schafft oder schaffen kann, werden andere Teammitglieder diese übernehmen.
Woran wir lernen...
Aus- und Belastung nehmen alle Teammitglieder individuell wahr. Wir versuchen, im Sinne des agilen Manifests in einer gleichmäßigen Geschwindigkeit exzellent zum Kundennutzen zu liefern.
Damit wir im beschriebenen Sinne gut funktionieren, braucht es eine klare Sicht auf die bestehende Auslastung (im Auslastungsbarometer angezeigt) und auf die Belastung (gekennzeichnet im Tunnelradar).
"Darf ich sagen, dass ich das nicht schaffe, obwohl ich mir sicher wahr, es schaffen zu können?" oder "Die anderen haben auch so viel auf der Kette, da kann ich die nicht mit meinen Kleinigkeiten belasten." oder "Alle anderen dürfen Hilfe annehmen, ich muss das alleine schaffen" -- es gibt viele Begründungen, warum es uns allen im Team schwerfallen kann, Unterstützung anzunehmen. Wir arbeiten daran. Das funktioniert, wenn die Beteiligten im verletzlichen Vertrauen stehen. Wir lernen uns und unsere Gefühle und Denkmuster mit jeder (Einzel- und/oder Team-)Supervision besser kennen.
In Abständen rutschen uns noch Teammitglieder in den Tunnel. Wir versuchen, die Mechanismen über Reflexionsgespräche und in der Supervision zu klären.
Uns eint der Wunsch, für und mit den Kunden und Kundinnen in eine echte Zusammenarbeit zu kommen. Das erfordert häufig Konfliktfähigkeit -- eine Eigenschaft, die wir bei Tunnelradar "Orange" verlieren können. Wenn die Tandempartner und -partnerinnen gemeinsam feststellen, dass sie oder ein Teil des Tandems gerade notwendige Konflikte nicht gehen, kann dies auf einen Tunnelradarstatus zeigen. Mit der neuen Farbe sind wir alle wieder in der Handlungsfähigkeit.
Mehr Informationen + Ideen
Mehr Informationen und Ideen zum Arbeiten in verteilten Teams findet Ihr im Podcast BJA014 "Verteilt, Remote + HomeOffice" mit Ole Michaelis, Matthias Lau und Judith Andresen.
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