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Bewusst und richtig delegieren

Es gelingt uns häufig nicht, korrekt zu delegieren. Unklare Anweisungen oder zu allgemeine Ziele -- die Fehlerquellen für misslungene Delegatioen sind groß. Klarheit über die Delegationsform hilft sowohl den Delegationsgebern als auch den -nehmern.

Die Autorin stellt vier Wege vor, wie Team-Mitglieder ihre Aufgaben transparent und verständlich delegieren können.

Situatives Führen - der klassische Ansatz im Überblick

Reifegradmodell (Situative Führung)
Reifegradmodell (Situative Führung)

Klassisch-hierarchische Manager und Managerinnen lernen im Laufe ihrer Ausbildung das Reifegradmodell kennen.

 

Es beschreibt den Motivationsverlauf von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen in Bezug auf eine zunächst neue Aufgabe. In Abhängigkeit von der Motivation und der Handlungskompetenzen der betreffenden Personen empfiehlt das Reifegradmodell unterschiedliche Formen der Aufgabenübermittlung:

  1. Anweisen
    Die Aufgabe wird im Detail und Schritt für Schritt übertragen. Es sind viele Kontrollpunkte einzuziehen.
  2. Verkaufen
    Die Aufgabe wird erläutert und an vorherige Aufgabenlösungen appelliert. Die Aufgabe wird in Aufgabenblöcke und Teilaufgaben zerlegt. Entsprechend werden Kontrollpunkte eingezogen.
  3. Verhandeln
    Die Delegationsgeber handeln mit den Delegationsnehmern einen guten Lösungsweg aus. Sie vereinbaren wenige Aufgabenblöcke und Kontrollpunkte.
  4. Delegieren
    Die Aufgabe wird vollständig und im Block an den oder die Delegationsnehmerin übertragen.

Als Methodenbaustein wird dabei das Aushandeln des Reifegrads in der klassischen Ausbildung empfohlen.

1. Aushandeln von Reifegraden

Das Aushandeln von Reifegraden erfolgt in zwei Phasen. Im ersten Schritt werden alle Beteiligten mit dem Reifegradmodell vertraut gemacht. Dies erfolgt als internen Schulung:

  1. Welche Informationen sind im Rahmen einer korrekten Delegation zu übermitteln?
  2. Was genau sind die Reifegrade R1 - R4?

Zunächst lernen die Teilnehmer und Teilnehmerinnen, dass die folgenden Punkte zu einer vollständigen Delegation gehören:

  • Zieldefinition
  • Akeptanzkriterien für Erfüllung
  • Entscheidungsform für (Teil-)Aufgaben
  • Kontrolle von (Teil-)Aufgaben
  • Abnahme von (Teil-)Aufgaben
  • Unterstützungsformen der Delegationsgeber zum Delegationsnehmer

Alle Beteiligten lernen die Reifegrade R1 bis R4 kennen und unterscheiden. Für nachfolgende Delegationen (also die Phase 2) erhalten alle Beteiligten jeweils den Auftrag den Reifegrad auszuhandeln und entsprechend die Delegationspunkte der obigen Liste anzupassen.

 

Das Reifegradmodell bildet die Grundlage des situativen Führens. In der Praxis ist eine exakte Abgrenzung der Reifegrade R1 bis R4 nur schwer zugänglich. Entsprechend ist das Reifegradmodell nur als Erklärungsmodell und Stütze im täglichen Arbeiten zu interpretieren.

 

Das Reifegradmodell setzt auf eine klare Hierarchie. Gerade in komplexen Umfeldern und in einer agilen Teamarbeit ist die klare Hierarchie eines Delegationsgeber oder einer -geberin gegenüber immer gleichen Delegationsnehmern nicht gegeben.

 

Delegation erfolgt in Teams auf Augenhöhe und ist ein gemeinsamer Prozess. Dieser Projektwahrheit kommt das Delegationspoker näher.

Sieben statt vier Delegationsformen im Delegationspoker

 Jurgen Appelo stellt in Management 3.0 insgesamt sieben Delegationsformen vor:

Quelle: management30.com (englisch, übersetzt von BJA)
Quelle: management30.com (englisch, übersetzt von BJA)

Delegationspoker-Kartenset zum Ausdruck (PDF)

Jurgen Appelo (Management 3.0) unterscheidet sieben Delegationsgrade, wie sie in der obigen Grafik aufgeführt sind. Angefangen von der "einfachen Anweisung" bis zur "vollständigen Delegation".

 

Diese sieben Delegationsgrade sind feiner als das Reifegradmodell und lassen zum Beispiel eine gemeinschaftliche, hierarchiefreie Bearbeitung des Themas in Stufe 4 zu:

"Wir treffen die Entscheidung gemeinsam".

 

Das Delegationspoker stellt Transparenz für die Art und den Umfang der Aufgabe her. Nachfolgend findet Ihr drei Wege, wie Ihr diese Spielkarten-Sets bei Euch in der Arbeit nutzen könnt:

2. Das konkrete Thema auspokern

Zwei Menschen möchten sich im Team auf eine Aufgabenübertragung einigen. Um festzustellen, wie die die jeweiligen Erwartungshaltungen in Bezug auf

  1. Aufgabendefinition
  2. Entscheidungfindung und -träger / -trägerin
  3. Anzahl und Häufigkeit der Kontrollpunkte
  4. Freiheit in der Ausführung

sind, greifen die Beteiligten nach einem ersten Austausch der Aufgabendefinition zu den Pokerkarten. Sie wählen diejenige Punktezahl, die sie für eine gute Aufgabenlösung angemessen halten.

 

In diesem Fall expliziert das Auspokern Anspruchs- und Erwartungshaltung der Beteiligten. Bei starken Unterschieden der gepokerten Werte gilt es diese Punkte auszudiskutieren und eine Lösung herbeizuführen. Die Einigung erfolgt wiederum über das Zeigen von Karten.


Im Falle der gleichen Punktezahl bestätigt das Pokern Grad und Detailtiefe der Delegation. Die Beteiligten können nun explizit aushandeln, wer welchen Anteil an der besprochenen Aufgabe übernimmt.

3. Trainingslager in Teams

Das hier vorgestellte Trainingslager geht auf Jurgen Appelo zurück. Es ist in der Originalform in seinem Blog beschrieben. Mit dem Trainingslager können Teams retrospektiv ihre Delegationen überprüfen und den Raum für Vertrauen und stärkere Delegationen öffnen.

 

Diese Spielvariante öffnet diesen Raum durch die Belohnung hoher Delegationswerte.

 

Es liegt ein vertretbares Risiko darin, Menschen in den benannten Arbeitssituationen viel zuzutrauen. Das Trainingslager straft ab, wenn sich eine Teilgruppe abkoppelt und „in der Minderheit“ höhere Delegationsstufen zieht— die Annahme ist, dass diese Gruppe („höchste Minderheit“) das Risiko der gewählten hohen Delegationsstufe unterschätzt und damit das Projektziel gefährdet.


Alle Teilnehmer und Teilnehmerinnen erhalten je ein Set des Delegationspokers. Das Team ermittelt im Vorfeld der Übung Anforderungen, mit denen trainiert werden soll. Alle bringen zwei Beispiele auf Moderationskarten als Trainingskarten mit.

 

Die nachfolgenden Regeln werden nacheinander ausgeführt, bis die Trainingskarten alle bewertet wurden.

  1. Jemand aus der Gruppe wählt eine Anforderung aus und stellt diese der Gruppe vor. Fragen sind erlaubt und erwünscht.

  2. Alle bewerten für sich die notwendige Delegationsstufe der Anforderung und wählen eine Pokerkarte aus.

  3. Alle zeigen gleichzeitig den von ihnen gewählten Kartenwert.

  4. Die Teilnehmer mit dem größten und kleinsten Kartenwert begründen die Wahl dieses Werts.

  5. Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen ziehen wieder verdeckt ihre Karten.

  6. Alle zeigen gleichzeitig ihren Kartenwert.

  7. Es kommt zur Punktevergabe: jeder erhält seinen Kartenwert als Punkte — es sei denn, er beziehungsweise sie gehört der „höchsten Minderheit“ an. Diese erhalten keine Punkte.

4. Delegationen mit dem Team auspokern

Analog zum Aufwandspoker für Entwicklungsprojekte können Teams mit einem Delegationsgeber oder einer -geberin die für das Team angemessene und passende Delegationsform auspokern. Dabei müssen sich die Beteiligten vorab auf die für sie passende Einigungsform verständigen.


Alle Teilnehmer und Teilnehmerinnen erhalten je ein Set des Delegationspokers.

  1. Der Delegationsgeber / die Delegationsgeberin erläutert die konkrete Anforderung. Fragen sind erlaubt und erwünscht.

  2. Alle bewerten für sich die notwendige Delegationsstufe der Anforderung und wählen eine Pokerkarte aus.

  3. Alle zeigen gleichzeitig den von ihnen gewählten Kartenwert.

  4. Die Delegationsstufe wird angenommen, wenn maximal eine Abweichung der Delegationsstufen (um die nächsthöhere oder -niedrigere Karte) vorhanden ist. Dann gilt der kleinere Wert.

  5. Bei größeren Abweichungen begründen die Teilnehmer mit dem größten und kleinsten Kartenwert die Wahl dieses Werts. Die Gruppe startet wieder mit Punkt 1, bis eine Einigung erzielt ist.

Der Delegationsgrad führt zu einer klaren Aufgabenverteilung

Durch die Klärung des Delegationsgrades können die Beteiligten jeweils ihren Anteil an den folgenden Punkten bestimmen:

  • Zieldefinition
  • Akeptanzkriterien für Erfüllung
  • Entscheidungsform für (Teil-)Aufgaben
  • Kontrolle von (Teil-)Aufgaben
  • Abnahme von (Teil-)Aufgaben
  • Unterstützungsformen zwischen Delegationsnehmern und -gebern

Mit Transparenz verhindern die Beteiligten ungenaue und damit mißverständliche Delegationen. Insbesondere lernen die Beteiligten implizite Anweisungen von Diskussionsbeiträgen und Hilfestellungen zu unterscheiden. Diese Klarheit hilft allen, besser, effizienter und reibungsfreier miteinander zu sprechen und zu arbeiten.

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