Veränderungsprozesse brauchen Zeit, funktionieren meist nur in kleinen Schritten und verlaufen nicht immer vorwärts. Mit dieser Erfahrung fordern Teams häufig große, revolutionäre Schritte: "Wir müssen auch XYZ machen, damit ABC funktioniert."
Mit diesem "Erst dann, wenn..."-Antipattern verhindern Teams jegliche Bewegung in Prozessen.
Veränderung funktioniert dann, wenn die Schritte des Teams beziehungsweise jedes Team-Mitglieds einfach, nachvollziehbar und machbar sind.
Das Team diskutiert während der Retrospektiven mögliche Veränderungen der Prozesse. Viele Teams nehmen sich dabei zu viel vor. Im Eifer des Gefechts -- und weil das erkannte Phänomen alle Beteiligten nervt -- diskutieren die Retrospektiven-Teilnehmer eine Lösung herbei, die perfekt ist.
Das Team vereinbart Regeln beziehungsweise Maßnahmen, die alle Risiko- und Ausnahmefälle betrachten. Es entsteht eine große, komplexe Lösung. Diese wird im Projektalltag voraussichtlich keine Anwendung finden. Die Team-Mitglieder "verpassen den Einsatz", um die Lösung in Gang zu setzen und fallen in alte Muster zurück. Es ist zu vieles auf einmal zu bedenken. "Ach, dieses Mal mache ich das noch so. Wir haben so wenig Zeit" heißt es dann. Das Team bewegt sich nicht.
Die Vereinbarung für die neue Team-Regel oder die Maßnahme steht. Aber es folgt keine Umsetzung. Das Team ist im "Erst dann, wenn..."-Antipattern gefangen.
Alternativ scheitert das Team an einer Ausformulierung der neuen Team-Regel oder der Maßnahme, weil sich die Team-Mitglieder nicht auf die Risiko- und Ausnahmebehandlungen einigen können. Die Lösung des eigentlichen Themas steht dann vor einer etwaigen Ausnahmebehandlung zurück. "Wir können das nicht beschließen! Das berücksichtigt den Fall nicht, dass ABC passieren könnte." formulieren die Team-Mitglieder während der Retrospektive. Alternativ heißt es: "Wenn wir ABC machen, müssen wir auch XYZ machen."
Das "Erst dann, wenn..."-Antipattern hat gesiegt. Das Team bewegt sich nicht.
Für Abhilfe sorgen kleine und wenige Maßnahmen, die den Projektprozess langsam, aber sicher verändern:
- Wenige Ergebnisse (Team-Regeln / Maßnahmen) vereinbaren
- Alle Ergebnisse sehr konkret notieren (wer?, wann?, was genau?, mit wem?, warum?)
- Dezidierte Auslöser für Maßnahmen benennen
- Mögliche Ausnahmefälle werden ignoriert. Es wird vereinbart, dass ein Umgang gefunden wird, wenn die Fälle eintreten.
Die Diskussion um Ausnahme- und Risikofälle vertagt das Team auf den Zeitpunkt des Eintretens. Sobald diese Themen wirklich auftreten, kann das Team in der entsprechenden Retrospektive eine Lösung finden.
Kommentar schreiben
PHP John (Freitag, 19 Juli 2013 11:14)
Manchmal macht die Anwendung des Erst dann, wenn Patterns doch durchaus sinn. Dem zufolge würde ich es nicht Antipattern nennen.
Erst dann, wenn .... ich mein Schwert bekommen habe ziehe ich in den Kampf.
Erst dann, wenn ... ich Schwimmen kann gehe springe ich ins Wasser.
Erst dann, wenn ... die Tests Grün sind können wir deployen.
Man sollte eher ein Positives Pattern haben,
Wenn ich noch ... kein Schwert habe ... Kämpf ich mit dem Stock ... bis ich ... eins bekomme.
Wenn ich noch .... nicht schwimmen kann ... trag ich immer ne Rettungsweste.
Wenn ich noch ... keine volle Testabdeckung schaffe ... teste ich wenigstens was ich kann ... bis ich gute tests habe ....
Muss man natürlich in Relation sehen,
es gibt sicher Erst Wenn Übertreiber und sicher "Wenn ich noch nicht ... mach ich schonmal irgendwas" Übetreiber.
es geht nun mal immer nicht alles sofort hier muss man dann abwägen zwischen abwarten und improvisieren.
Ich denke das hängt auch von der Mentalität des Teams ab.
Corinna (Freitag, 19 Juli 2013 14:28)
Jupp, schön beschrieben!
Wenn "Erst wenn X, dann" zu komplexen Regeln geführt hat, beobachte ich oft das Folgemuster: "Da haben wir doch eine Regel für! Das wäre ja gar kein Problem, wenn sich alle an die Regeln halten würden!!elf!". Es lebe der Konjunktiv!