Dinge geschehen. Entscheidungen werden getroffen. Und manchmal sieht man hinterher, dass eine andere Handlung sinnvoller gewesen wäre. Es war ein Fehler, heißt es dann. Das eigene schlechte Gewissen - und manchmal auch die Genugtuung, dass andere auch Fehler machen - lassen uns den Finger erheben und auf jemanden anderen zeigen.
Wer Schuld sucht, wird keine erfolgreichen Retros erleben.
Mit jeder agilen Retrospektive sucht das jeweilige Team nach einer Optimierung der Zusammenarbeit und des Projektvorgehens. Es gilt dabei die oberste Direktive, die auf retrospectives.com wie folgt formuliert ist:
"Regardless of what we discover, we understand and truly believe that everyone did the best job they could, given what they knew at the time, their skills and abilities, the resources available, and the situation at hand.
Ist ein Unternehmen mitten in der agilen Transition wird die oberste Direktive leicht in Bedrängnis gebracht. Hat das Team ein Thema aufgeworfen, dass optimierungsbedürftig ist, kommen vielleicht einige, manchmal alle Team-Mitglieder unter Rechtfertigungsdruck.
Das Aufzeigen von Fehlern erzeugt bei Menschen, die lange in klassisch-hierarchischen Systemen gearbeitet haben, Stress. Unter Stress fallen wir in alte Verhaltensmuster zurück. Die Frage nach dem Warum ("Generate Insights" heißt diese Phase der Retrospektive) wird daher von den Projektbeteiligten leicht mit Schuldzuweisungen beantwortet.
Schuldzuweisungen helfen nicht - und mit Schuldzuweisungen wird keine gute, neue Handlungsalternative entwickelt. Hier ist der Moderator bzw. die Moderatorin der Retrospektive gefragt. Es gilt, an die oberste Direktive zu erinnern und eine Diskussion ohne Vorwürfe einzufordern. Damit diese Intervention für die Team-Mitglieder akzeptabel ist, wird die oberste Retrospektive während der Phase "Set the Stage" in jeder Retrospektive thematisiert:
- Einige Team zitieren diese gemeinsam beim Beginn wie ein Mantra.
- Andere Teams führen ein Poster mit sich, dass während der Retrospektive an der Wand hängt.
- Oder der Moderator bzw. die Moderatorin erinnert an die oberste Direktive während der Phase "Set the Stage".
Nur Retrospektiven, in denen die Beteiligten ehrlich Ursachen für Fehlentscheidungen und ineffizientes Projektvorgehen diskutieren können, werden Erfolg zeigen.
Neben hohem Zeitdruck während der Transition (siehe auch: "Ohne Retrospektive ist SCRUM nicht agil") ist daher auch eine klassisch-hierarchische Fehlerkultur ein Hindernis auf dem Weg zu performanten, agilen Teams, dass es zu meistern gilt. Transparenz im Projektvorgehen ist das Ziel. Daran muss das Team sich bei Bedarf einfach erinnern.
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